EIN PODCAST VON
Konrad Isernhagen

REGIE Stefan Filipiak

MODERATION Barbara Klee-Reiter

SPRECHER*INNEN
Franziska Isernhagen
Angelika Isernhagen
Stefan Filipiak
Axel Schmidt

Folge 7

April 2024

Rein pflanzlich. Von Kakteen, Pilzen und Hexensalben

Folge 7 Rein pflanzlich. Von Kakteen, Pilzen und Hexensalben

von MOHNBLÜTEN

Die kleine Hexe auf dem Besenstiel – bei den meisten Menschen dürften bei diesem Bild schöne Kindheitserinnerungen aufkommen. Weniger bekannt ist aber wahrscheinlich, dass das Bild der Hexe auf dem Besenstiel eine durch Pflanzenextrakte ausgelöste Halluzination ist. Denn eine auf den Besenstiel aufgetragene Salbe, die u. a. das stark halluzinogen wirkende Bilsenkraut enthält, kommt durch das Reiten in Kontakt mit den intimsten Körperstellen, wird dadurch vom Körper aufgenommen und verursacht die Sinnestäuschung des Fliegens – deshalb auch der Name Hexen- oder Flugsalbe. Und die eindeutige sexuelle Konnotation dieses Bildes ist sicher nicht kinderbuchfähig, die Hexen fliegen ja mit ihren Besen auf den Blocksberg, um dort wilde Orgien zu feiern.
Die halluzinogene Wirkung etlicher Pflanzenextrakte ist wahrscheinlich bekannt seit es die Menschheit gibt und wurde stets zu kultischen Zwecken genutzt. Sei es das Meskalin des Peyote Kaktus oder das Ayahuasca der indigenen Bewohner_innen der Amazonasregion – diese Substanzen werden seit Jahrhunderten im Rahmen spiritueller Rituale zur Bewusstseinserweiterung eingesetzt. In unseren Breiten am besten bekannt ist der Fliegenpilz und die „magic mushrooms“, aber die Zahl der halluzinogen wirkenden Pflanzen ist fast unübersehbar: Bilsenkraut, Alraune, Tollkirsche, Engelstrompete usw. Etliche dieser Substanzen haben sich einen Platz in der Medizin erobert – das Atropin der Tollkirsche z. B., aber neuerdings auch das Psylocibin der „magic mushrooms“, das sich gerade eine Rolle in der Behandlung depressiver Erkrankungen erobert. Aber heute werden all diese Extrakte überwiegend als „Lifestyle“ Drogen zu einer Bewusstseinserweiterung in unbekannte Sphären eingenommen – mit dem Risiko übler und z. T. lebensgefährlicher Nebenwirkungen. Die wundersamen Effekte dieser Pflanzen faszinieren naturgemäß auch etliche Kunstschaffende, dem wollen wir in dieser Folge unseres Podcasts nachspüren. Mit Literaturbeispielen u. a. von Grimmelshausen, Shakespeare über Goethe bis zu Günter Grass und Musik u. a. von Gesualdo, Purcell über Johannes Brahms bis zu Olivier Messiaen und Karlheinz Stockhausen möchten wir sie gerne verzaubern, ohne sie auf einen Horrortrip zu schicken.
Wir wünschen viel Spaß beim Hören und würden uns über Feedback sehr freuen.

 

Literaturnachweise

Aldous Huxley (*1894; † 1963): Die Pforten der Wahrnehmung, Piper, ISBN 978-3-492-20006-6

Henri Michaux (*1899; †1984): Erkenntnis durch Abgründe, Meskalin (1961), Literaturverlag Droschl,
ISBN 3-85420-498-1

Günter Wallraff (*1942): Meskalin – ein Selbstversuch. Berlin 1968., zit. nach Resch, St.:
Rauschblüten, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-525-20863-2

Günter Grass (*1927; † 2015): Der Butt, Fischer Taschenbuch, 1180-ISBN-3-596-22181-1
Günter Grass (*1927; † 2015): Letzte Tänze, Steidl, ISBN 3-88243-882-7

Olga Tokarczuk (*1963): Empusion, Kampa, ISBN 978 3 311 10044 7

Klaus Modick (*1951), Fahrtwind, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-0

Joseph Freiherr von Eichendorff (*1788; † 1857): Eldorado, Die deutsche Gedichte-Bibliothek,
https://gedichte.xbib.de/Eichendorff_gedicht_Eldorado.htm

Martin Suter (*1948): Die dunkle Seite des Mondes, Diogenes, ISBN-10: 9783257233018

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (* um 1622; † 1676): Der Abentheuerliche

Simplicissimus, Das 17. Kapitel Wie Simplicius zu den Hexen auf den Tanz gefahren,
https://www.projekt-gutenberg.org/grimmels/simpl/simpl217.html

William Shakespeare (*1564; † 1616?): Macbeth, Reclams Universal-Bibliothek Band 17

Hanns Heinz Ewers ((*1871; † 1943): Alraune, Hoffenberg, ISBN 978-3-8430-3104-2

Johann Wolfgang von Goethe (*1749; † 1832): Faust. Der Tragödie erster Teil, Hamburger Ausgabe,
C.H. Beck, München, ISBN 3 406 30787 6

 

Musikbeispiele

Carlo Gesualdo (*1566; †1613):
Madrigale zu 5 Stimmen, Libro V, 11:
Mercè grido piangendo, Les Arts Florissants,
William Christie, harmonia mundi

Terry Riley (*1935): Mescalin Mix, Label Elision Fields

Karlheinz Stockhausen (*1928; †2007):
Stimmung, Model 15

Paul Hillier & Theatre Of Voices, harmonia mundi

Olivier Messiaen (*1908; †1992): Couleurs de la cité céleste,
Ensemble intercontemporain, Pierre Boulez, Yvonne Loriod, Piano,
Label Montaigne

Johannes Brahms (*1833; †1897): Mondnacht,
Text Joseph Freiherr von Eichendorff; Benjamin Appl, Bariton;
James Baillieu, Klavier; Sony BMG

Henryk Mikołaj Górecki (*1933; †2010): , 3. Sinfonie op. 36
(Symfonia pieśni żałosnych – Sinfonie der Klagelieder),
Dawn Upshaw Sopran, London Sinfonietta, David Zinman,
Label Nonesuch Records

Henry Purcell (*1659 (?); †1695),
aus: Dido und Aeneas, In our deep vaulted cell
und Echo dance of furies
English Chamber Orchestra, Raymond Leppard, Label Philips

Modest Mussorgsky (*1839; †1881): Eine Nacht auf dem kahlen Berge
Bournemouth Symphony Orchestra, Kirill Karabits, Label Onyx

Felix Mendelssohn – Bartholdy (*1809; †1847):
4 Lieder, Op. 75, Nr. 3: Trinklied
Chöre für Männerstimmen,
Männerstimmen des SWR Vokalensembles,
Frieder Bernius, Label Carus

 

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